„Man muss die Jugend auch ranlassen“

Allgemeine Zeitung von Wolfgang Bartels

BOCKENAU. „Ich bin froh, dass Präsenzveranstaltungen wieder möglich sind.“ Der junge Mann spricht wie ein Berufspolitiker, dabei ist es seine erste Rede auf politischer Bühne. Der gerade mal 20 Jahre alte Student Marvin Griesbach bewirbt sich in der Bockenauer-Schweiz-Halle als Bundestagskandidat der FDP – und wird von der Mitgliederversammlung im Wahlkreis 201 (Bad Kreuznach/Birkenfeld) einstimmig gewählt.

Sein Auftritt macht Eindruck: eine gute Redner-Stimme, eine ausgeprägte Gestik, zudem parliert er sachkundig über den Emissionshandel zum Klimaschutz und andere komplizierte Themen. Die Konkurrenz der anderen, sehr viel erfahreneren Kandidaten schreckt ihn nicht: „Klöckner und Weingarten – das sind natürlich Größen, die aber auch nicht immer geglänzt haben.“

FDP-Kreisvorsitzender Thomas Bursian hat den jungen Mann „entdeckt“ und begründet seinen Vorschlag, ihn zum Wahlkreiskandidaten zu machen: „Man kann ja nicht immer nur über die Jugend sprechen, man muss sie auch mal ranlassen.“ FDP-Chef Christian Lindner habe ja auch mal jung angefangen. Kennengelernt haben sich Griesbach und Bursian über einen Zeitungsartikel. Der damalige Schüler des Gymnasiums an der Stadtmauer hatte etwas über Home-Schooling gelesen und Bursian angesprochen. Der forderte ihn auf: „Schreiben Sie doch mal was dazu aus Ihrer eigenen Sicht auf.“ Aus diesem Text wurde ein Appell, dass die Schulen im digitalen Zeitalter ankommen müssen, gerade wegen der Pandemie. Der FDP-Kreisvorsitzende und der Abiturient blieben im Meinungsaustausch. Schließlich unterschrieb Griesbach im November den Aufnahmeantrag für die FDP.

Der 20-Jährige ist in Bad Kreuznach geboren und in Mandel aufgewachsen, wo er bis heute wohnt. Nach dem Abitur hat er begonnen, an der Technischen Universität Darmstadt Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren. Neben Fußball habe er sich auch immer für Politik interessiert, erzählt Griesbach. Er habe stets die politischen Kontroversen verfolgt und auch engagiert im Sozialkunde-Unterricht mitgemacht. Dabei hat er festgestellt: „Die Jugendlichen sind entweder grün oder es geht in Richtung liberal. Die Altparteien CDU und SPD ziehen kaum noch.“ Die linken Parteien versuchten, sich mit „sozialer Gerechtigkeit“ zu profilieren und sähen die Lösung in der Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums, so Griesbach in seiner Bewerbungsrede. Doch die Liberalen wollten das Problem an der Wurzel packen und Aufstiegschancen für jeden ermöglichen: „Es muss dringend mehr Geld in die Bildung investiert werden.“ Ein Prozent der Mehrwertsteuer-Einnahmen sollten zusätzlich für die Bildung ausgegeben werden. Er plädierte dafür, dass die Klimaschutzziele eingehalten werden. Wichtig sei es jedoch, „bei diesem emotionalen Thema rational zu bleiben“. Dazu gehöre der „marktgerechte Wettbewerb klimafreundlicher Technologien“ ohne pauschale Verbote, so der 20-Jährige im besten Polit-Sprech.

Lediglich neun Mitglieder der FDP aus den Landkreisen Bad Kreuznach und Birkenfeld hatten sich zur Wahlkreisversammlung in der Bockenauer-Schweiz-Halle eingefunden. Alle Neun stimmten für den jungen Kandidaten Marvin Griesbach aus Mandel. Kreisvorsitzender Thomas Bursian erklärt: „Ich freue mich auf diesen Bundestagswahlkampf“ – und überreicht seinem politischen Zögling eine Beziehungskiste.